Ein Vampir ist unsterblich, fürchtet sich vor Knoblauch, verwandelt sich bei Nacht in eine Fledermaus, glitzert bei Tageslicht und besitzt ein unstillbares Verlangen nach Blut. Dies ist nur ein kleiner Auszug der Eigenschaften, die man mit dem untoten Blutsauger in Verbindung bringt, doch welche dieser, mitunter schauerlichen, Beschreibungen wurden wirklich zur Charakterisierung des historischen Vampires genutzt und welche dichteten phantasievolle Buchautor*innen und Regisseur*innen einfach hinzu?
Der Ausdruck Vampir geht wahrscheinlich aus dem makedonischen Wort opyr, was so viel wie fliegendes Wesen bedeutet, hervor. Die Vorstellung eines bleichen Ungeheuers, das auf der Suche nach Blut in tiefster Finsternis umherwandelt, existiert dagegen schon seit frühester Zeit in nahezu allen Kulturkreisen der Erde. So ist von einem vampirartigen Wesen bereits in den alten Mythen und Sagen Asiens, Afrikas und Südamerikas die Rede. Und auch in Europa gab es zahlreiche Legenden um verschiedene Dämonen, die einige Parallelen zum Vampir aufwiesen. Jedoch fehlte bei diesen Sagen eine entscheidende Vampireigenschaft: die Wesen raubten ihren Opfern kein Blut. Dieses unerschöpfliche Verlangen wurde dem bleichgesichtigen Geschöpf aus unseren Gefilden erst durch Literatur und später durch Filme sowie Serien angehangen.
Ein wichtiger, um nicht zu sagen DER Vertreter der Vampirliteratur, ist Dracula. Auch wenn Bram Stokers Vampir nicht den Ursprung des Mythos darstellt, prägt er doch den allgemeinen Prototypen. In der Vorstellung der Menschen des 19. Jahrhunderts war ein Vampir demnach ein totes Wesen, das nachts das eigene Grab oder die Gruft verlässt, um unschuldigen Sterblichen das Blut auszusaugen. Am Tage jedoch meidet der Vampir das Tageslicht, denn fällt Sonnenlicht auf ihn, so zerfällt er zu Staub. Auch ein Holzpflock, der ihm durchs Herz gestoßen wird oder loderndes Feuer bringt den bestialischen Blutsauger um. Wenn es jedoch Licht, Feuer und Pflöcke meidet, erfreut sich das übernatürliche Geschöpf bester Gesundheit, die keine natürliche Altersbegrenzung kennt. Trotz der vielen Jahre, die er auf Erden wandelt, weist der Vampir keine Anzeichen von Verwesung oder Alter auf, nur eine natürliche Blässe und spitze Schneidezähne zieren sein Antlitz. Begutachten kann er diese nicht, da es einem seelenlosen Wesen nicht vergönnt ist, das eigene Spiegelbild zu betrachten. Für einen eitlen Vampir ohne Frage problematisch! Statt der Beautyroutine muss er sich seinen weiteren zahlreichen übernatürlichen Gaben zuwenden. So wurde der Blutsauger mit außerordentlichen Kräften, physischer und psychischer Natur, ausgestattet. Er kann frei nach Willenslust die Gestalt von Fledermäusen annehmen, seine Opfer, vornehmlich junge und attraktive Männer und Frauen, hypnotisieren, ganze Bäume ausreißen und durch einen Biss andere Menschen mit dem Vampirismus anstecken. Die Sterblichen sind der Nachtgestalt aber nicht vollkommen schutzlos ausgeliefert. Dank hilfreicher Lauchgewächse wie Knoblauch oder religiösen Utensilien wie Kreuzen oder Weihwasser können sie das übernatürliche Wesen in die Flucht schlagen.


Im Laufe der Film- und Literaturgeschichte veränderte sich das Bild vom Blutsauger. Aus dem herzlosen Untoten wurde ein unsterblicher Herzensbrecher, der einige seiner urigen Eigenschaften ablegte und neue Kräfte hinzugewann.
So besitzen einige Vampire aus Stephenie Meyers Buchreihe Twilight zusätzliche Gaben, die auf den psychischen Fähigkeiten ihres ursprünglich menschlichen Lebens beruhen. Besonders empathische Menschen können nach ihrer Wiedergeburt die Vampirfähigkeit des Gedankenlesens oder des Beeinflussens von Emotionen entwickeln und Menschen, die stets eine begrenzte Vorahnung besaßen, können als Vampir in die Zukunft blicken. Während diese Eigenschaften sich nur auf einen kleinen Kreis beziehen, ist es allen Twilight-Vampiren vergönnt, im Sonnenlicht zu wandeln (wenn auch mit unangenehmen Glitzerfilter). Zudem sind die Bleichgesichter in der Lage, mehr als hundert Meilen pro Stunden zu laufen und ihre Augenfarbe zu wechseln. Die Iris von Vampiren, die sich von menschlichem Blut ernähren, reflektieren ein tiefes Rot, während die von Vegetariern (Vampire, die ausschließlich tierisches Blut trinken) eine mittlere Goldfarbe widerspiegeln.
Wieder andere Eigenschaften verbindet man mit den Vampiren aus Vampire Diaries. So können diese in die Träume von Menschen und anderen Vampiren eintauchen und diese steuern oder das Gedächtnis eines Menschen ändern. Auch die Möglichkeiten, einen Vampir zu töten, wurden erweitert. So ist nun auch Eisenkraut ein entschiedener Feind des Blutsaugers, vermag dieses doch bei äußerlicher Anwendung die Haut des Vampires zu verbrennen und bei oraler Einnahme ihn für mehrere Stunden zu betäuben.
In Cassandra Clares Chroniken der Unterwelt sind die Vampire auch unter dem Namen Die Kinder der Nacht bekannt und gehören den sogenannten Schattenwesen an. Um in Clares übernatürlicher Welt ein Vampir zu werden, reicht ein einfacher Biss nicht mehr aus. Für eine Verwandlung muss ein Mensch zunächst Vampirblut trinken oder von einem Untoten gebissen werden, anschließend muss der oder die Gebissene sterben und begraben werden. Erst wenn die Vampiranwärter*innen dann „zurückkommen“ und nach der beschwerlichen Wiedergeburt Blut trinken, werden sie selbst zum Vampir.
Der Vampir ist ohne Frage eines jener Fabelwesen, das an Vielfalt und Beliebtheit kaum zu übertreffen ist. Durch die Filmreihe Twilight brach ein regelrechter Vampir-Hype aus! True Blood, Shadowhunters, The Vampire Diaries – die Liste der TV- und Filmproduktionen über die Blutsauger ist unendlich lang und wird auch 2022 eifrig fortgeführt. So erscheint noch in diesem Jahr die langersehnte Netflix-Serie First Kill, die auf der gleichnamigen Kurzgeschichte der New York Times Bestseller-Autorin V. E. Schwab beruht.


Julia ist die Ambivalenz auf zwei Beinen. Sie lebt einerseits mit Dinosauriern und Shakespeare in der Vergangenheit, ihr (seit drei Jahren) fast vollendeter Debüt-Roman spielt jedoch in der Zukunft. Sie wollte eigentlich etwas "Sicheres" studieren und ist jetzt blöderweise im Journalismus gelandet. Dort ist sie ganz nebenbei Mate-abhängig geworden und mit ihrer Tastatur verwachsen.