AQUILERIA ist eine mittelalterliche, fantastische Welt voller Geheimnisse und Abenteuer. Eine Welt mit eigenen Landschaften, Königreichen, Kulturen, Religionen und Zeitrechnungen. Eine Welt, in der es ganz besondere Orte, Pflanzen, Tiere und Phänomene gibt, ebenso wie ganz besondere Heldinnen und Helden, die sich nie als solche verstehen und bezeichnen würden. Eine Welt, in der sich die Menschen Geschichten, Märchen, Sagen und Legenden erzählen, die von Dingen berichten, die unvorstellbar, lehrreich, magisch, gruselig oder einfach nur unterhaltsam sind. Eine Auswahl dieser Erzählungen, zusammengefasst unter „AQUILERIA · Sagen & Legenden“, veröffentlichen wir exklusiv hier im Wirsing-Magazin. Sie ergänzen die bisherigen Bücher aus der Feder von Alexander Büttner um eine neue, mythische Komponente.
Eine Legende, die man sich in allen Königreichen entlang der Ufer des Flusses Revio erzählt, überall dort, von wo man mit Schrecken in die dunklen Wälder der Westlichen Wildnis schaut.
„Und der Krieger, den sie Narbe nannten, überquerte die Brücke aus rotem Holz, als er mit seinem Gurt an einem Ast hängenblieb. Das Holz zerbrach, und als Blut sich aus dem Bruch ergoss, erkannte der stille, tapfere Mann, dass die Brücke nicht aus Holz gemacht war, sondern aus den abgetrennten Armen und Beinen vieler kleiner Menschenkinder.“
aus einer Geschichte, die man sich in Saranien über drei tapfere Helden erzählt, die in den Kalten Wald zogen, um ein Heilmittel für einen grausamen Fluch zu finden.
Es war einmal, es ist und es wird immer sein: Ein Wesen, das über alles Leben in den tiefen, dunklen, wilden Wäldern wacht. Nur selten zeigt es sich den Menschen, doch wenn es das tut, nimmt es stets die Gestalt eines alten Weibes, mehr Hexe als Großmütterchen, an. Mit wirren, schneeweißen Haaren, tief zerfurchter Haut, die in Falten hängt, grotesken Bewegungen, einem zerschlissenen, schmutzigen Hemd, knorrigen Knochen, die wie die Äste sterbender Bäume anmuten, einer Stimme, die an das heisere Krächzen von Raben erinnert, ist sie kaum im Stande, Worte in menschlicher Sprache in ihrem Mund zu formen. Und doch ist eben dies ihr Schicksal, ihre einzige Aufgabe: Den Menschen etwas mitzuteilen. Sie ist die Stimme der uralten Wildnis, und allen voran der Bäume, die weder sprechen noch fliehen noch sich gegen die Menschen wehren können.
Die Alte Frau des Waldes zeigt sich überall dort, wo die Menschen den Wäldern Schaden zufügen; wo sie Bäume fällen und Holz schlagen, um Platz für sich, ihre Häuser, ihre Felder und ihr Vieh zu schaffen, wo sie die Tiere aus ihrem Zuhause vertreiben und das Gleichgewicht aller Dinge stören, wo sie weichen, feuchten Boden dem Kahlschlag und der Sonne aussetzen, sodass Moore, Bäche, sogar Flüsse und Seen austrocknen. Sie zeigt sich den Menschen, um sie zu warnen und ihnen Einhalt zu gebieten, wie eine Mutter, die sich um ihre Kinder sorgt. Hört man nicht auf sie, so schützt sie die Wälder mit einem Zauber, der sie in Nebel und Kälte hüllt, der das Holz hart wie Stein und die Tiere zu wilden Bestien werden lässt, auf dass sie den Menschen trotzen können, bis sie sich fürchten, den verschlungenen Pfaden in den Wäldern zu folgen.
Doch gibt es auch Menschen, deren Gier und Dummheit größer ist als ihre Furcht. Sie gehen trotzdem in die Wälder, oder zwingen andere mit Gewalt, es für sie zu tun. Der Alten Frau des Waldes bleibt das nicht verborgen, denn die Tiere und Pflanzen im Wald flüstern ihr zu. Sie sieht mit den Augen der Raben und Krähen, hört mit den Ohren der Hasen und Mäuse, wittert mit den Nasen der Wölfe und Bären, jagt mit den Zähnen und Klauen aller verfluchten Wesen, die der Wald hervorbringt, um sich gegen die Eindringlinge zu wehren.
Und schließlich, wenn es auch den Schrecken der Wildnis nicht gelingt, den Menschen Einhalt zu gebieten, dann, nur dann, holt sie sich von ihnen, was sie ihr genommen haben: die Kinder. Sie lockt sie mit klingenden und klappernden Büschen, mit windsäuselnder Stimme, mit harmlos und zauberhaft anmutenden Tieren in den Wald, um sie dort dann zu fangen, zu töten und aus ihren Gliedern Brücken und Häuser zu bauen, so wie es die Menschen aus den Bäumen tun.
Darum, mein Kind, fürchte dich stets vor einem sterbenden Wald, denn gleichwohl in Bäumen das Leben fließt, so stammt das Blut am Beil der Alten Frau, die dich erwartet, nicht von Holz und nicht von Tieren.
Diese Geschichte bildet den Rahmen für ein Pen&Paper-Abenteuer, das im Chemnitzer KaffeeSatz gespielt und als Podcast-Folge aufgezeichnet wurde. Anhören könnt ihr euch die Folge hier: https://aquileria.de/aktuelles/kaffeepod-podcast-am-17-08-2022-aquileria-geh-nicht-in-den-winterwald-penpaper-abenteuer/
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Alexander ist Schriftsteller, freier Redakteur, Projektmanager und Verlagsleiter. Aus seiner Feder stammt unter anderem die AQUILERIA-Reihe. Zudem betreibt er zusammen mit Caroline Loße den Buchblog Beardy Books, auf dem er vor allem über Abenteuergeschichten berichtet, die irgendwo zwischen Antike und dem Indiana Jones-Zeitalter der Dreißiger Jahre angesiedelt sind - oder die er im Kinderzimmer seines Sohnes findet. Daneben engagiert er sich für Nachhaltigkeit und den Erhalt von Wildnis- und Urwaldflächen (unter anderem im Rahmen von Wilderness International) und hat ein großes Herz für Crossmedia Storytelling.