Ausgabe 2Fantastische Fabelwesen

DIE FEE

Warum der Fe(e)minismus so wichtig für das Feenvolk ist

„Als das erste Baby zum ersten Mal lachte, zerbrach das Lachen in tausend Stücke; sie sprangen hin und her, und das war der Anfang aller Feen.“

J.M. Barrie (Peter Pan)

Im Kinderbuchklassiker Peter Pan von J.M. Barrie spielt neben dem gleichnamigen Helden des Buches auch die Fee Tinkerbell eine tragende Rolle. Während sie in der Zeichentrickverfilmung zunächst nur die magische Begleiterin Peter Pans darstellt, wird sie spätestens seit ihrer eigenen Filmreihe zu einer wahren Kultfigur des Disney-Universums. Sowohl in der Originalfassung wie auch in allen Erweiterungen wird die beliebte Fee von Barrie und Disney mit den Attributen Fleiß, Temperament und auch mit einer gehörigen Portion Sturheit porträtiert. J. K. Rowling entschied sich für andere Worte, um den in der Harry-Potter-Welt vorkommenden Feenwesen Leben einzuhauchen. Die britische Schriftstellerin beschreibt sie als zierende Geschöpfe, die von primitiver und streitsüchtiger Natur sind. Da kaum ein Fabelwesen widersprüchlicher beschrieben wird, wollen wir mehr Licht in die sagenumwobenen Welt der Feen bringen.

Geisterhafte Fabelwesen, die mit höheren Kräften gesegnet wurden, so charakterisieren Dichter und Schreiber die Wesen, die wir heute Feen nennen, in keltischen und romantischen Volkssagen. Doch der Name Fee war zur damaligen Zeit keine gebräuchliche Bezeichnung. Im Mittelalter wurden die fantastischen Geschöpfe noch Feien oder Feinen genannt und waren mit den weißen Frauen und Nornen, die aus der Mythologie bekannt sind, verwandt. Im slawischen Raum nannten die Menschen sie Wilen und im inselkeltischen Raum Sidhe. Die Bilder, die sich hinter den unterschiedlichen Namen verbargen, waren jedoch identisch. Es handelte sich um ein menschenähnliches Wesen, das von geringer Größe war, insektenartige Flügel besaß und über unersättliche magische Fähigkeiten verfügte. So soll sich die Fee nach freiem Belieben unsichtbar machen, Wünsche erfüllen, nicht altern, das Schicksal Neugeborener bestimmen und Glück bescheren können. Das Ausmaß dieser Kräfte soll von Fee zu Fee variieren und mit der Körpergröße der Fee zusammenhängen. Feen, die die Größe eines Menschen besitzen, sind von mächtigerer Natur als ihre insektengroßen Verwandten.

Wer sich selbst von den Kräften einer Fee überzeugen möchte, muss Ausschau nach Feenringen halten, kreisförmigen Ansammlungen von Pilzen, die preisgeben, an welcher Stelle sich eine Fee aufgehalten haben soll. Besonders viele solcher Kreise wurden in Irland, in der Nähe von Grotten und Wäldern, Felsschluchten, Gewässern, Quellen und Steinkreisen gesichtet. In diesen verlassenen Landschaften sollen sich die Zugänge zu der Welt der magischen Wesen befinden, die in dieser angeleitet durch eine Königin oder einen König, in großen Scharen oder zurückgezogen und auf sich allein gestellt leben. In der keltischen Mythologie wird beschrieben, dass die Welt der Feen der menschlichen ganz ähnlich sei, eine strenge Trennung zwischen beiden Welten gäbe es nicht. Vielmehr trenne eine Art Schleier die Feen und Menschen voneinander. In den Nächten von Samhain und Beltane, zwei der vier großen irisch-keltischen Feste, soll dieser Schleier besonders durchlässig sein. Durchdrungen werden kann er von beiden Seiten, so können Menschen sich in das Feenreich verirren und Feen in menschlichen Siedlungsgebieten stranden. Erzählungen von solch wunderlichen Begebenheiten gab es zur Zeit des Mittelalters zuhauf.

Feenring

In dieser Zeit wurden die Feen, wie der Artikel es vermuten lässt, als Frauen dargestellt. Und auch heute werden die geflügelten Geschöpfe nur selten mit männlichen Attributen geschmückt, obwohl in den Sagen und Mythen Feenvölker stets aus Frauen und Männern bestanden. Dass die Feenfrau dennoch häufigere Betrachtung erfährt, mag daran liegen, dass viele alte, keltische Göttinnen ins Feenreich übertragen wurden. Doch das Bild von starken Göttinnen war nicht von Dauer. Die Fee erfuhr im Laufe der Zeit eine Degradierung zweierlei Art. Zum einen wurde die Figur der bösen Fee etabliert, die Krankheiten verursachte, Flüche aussprach und Kinder raubte. All das Elend und die Sorgen der Menschen wurden der bösen Fee zugeschrieben, die schon bald darauf zusammen mit Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Jene Feen, die nicht zu Hexen degradiert wurden, hatte kein besseres Schicksal ereilt. Aus den einst mächtigen Göttinnen wurden mädchenhaften Wesen, die mehr mit einer Porzellanpuppe als mit einem Menschen gemein hatten. Besonders in der Romantik fand diese Form der Verniedlichung statt. Feen waren in Sagen und Lyrik nur noch fragile Wesen, die sich in der tragischen Liebe zu einem Mann verloren. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert setzte sich das Trauerspiel dann in den Märchen fort. Feen besaßen kaum noch Kräfte und waren gelinde gesagt nur noch schmückendes Beiwerk. Es ist also nicht verwunderlich, dass in der von J.K. Rowling geschaffenen Zauberwelt Feen genutzt werden, um Wohnzimmer und Festplätze zu dekorieren.

Gefesselt an einem Traualtar – ist das das Ende der Feen? Nein. Im Zuge des erstarkenden Feminismus besannen sich Schreiber*innen von Filmen, Serien und Büchern wieder auf das ursprüngliche Bild der Fee. Diese erfreuliche Entwicklungstendenz ließ sich besonders in den vergangenen Jahren beobachten. So sind die Protagonistinnen der 2021 erschienenen Netflixserie Fate Feen, deren Hauptanliegen nicht darin besteht mit aufreizender Kleidung und rotumrandeten Lippen die Männerwelt zu verzücken, sondern als selbstbewusste, mächtige Frauen die zerstörerischen „Verbrannten“ der Anderswelt in die Flucht zu treiben. Auch in der von Cassandra Clare geschriebenen Buchreihe Chroniken der Unterwelt, die als Vorlage für die Netflixserie Shadowhunters diente, werden die Feenwesen als körperlich stärker, schneller, anmutiger und mächtiger als gewöhnliche Menschen dargestellt.

Es bleibt zu hoffen, dass das neuerliche Erstarken der Feen eine Fortführung finden wird und sie bald wieder die vor Kraft strotzenden, emanzipierten Göttinnen sein werden, die sie einst auch schon in den Mythologien waren.

Julia ist die Ambivalenz auf zwei Beinen. Sie lebt einerseits mit Dinosauriern und Shakespeare in der Vergangenheit, ihr (seit drei Jahren) fast vollendeter Debüt-Roman spielt jedoch in der Zukunft. Sie wollte eigentlich etwas "Sicheres" studieren und ist jetzt blöderweise im Journalismus gelandet. Dort ist sie ganz nebenbei Mate-abhängig geworden und mit ihrer Tastatur verwachsen.

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