Ausgabe 6Planetastisch

VOM JÜNGSTEN GERICHT UND ÄGYPTISCHEN GÖTTERN

Weltenzerstörer aus den Tiefen des Alls

Naturkatastrophen sind furchteinflößend. Egal ob Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüche – zu wissen, dass diese unbändigen Urgewalten ganze Landstriche binnen weniger Augenblicke verwüsten können, ist beängstigend. Wir alle haben Bilder im Kopf, ob nun aus den Nachrichten oder der eigenen Erfahrung, von Waldbränden, Überschwemmungen oder Wirbelstürmen. Solche zerstörerischen Naturspektakel sind mittlerweile (leider) fast alltäglich und dennoch schockieren sie uns jedes Mal aufs Neue. Doch die entfesselten Kräfte von Mutter Natur rufen auch ehrfürchtiges Staunen, fast schon eine Art Begeisterung im negativen Sinne hervor; darüber, wie klein und machtlos wir Menschen doch sind.

Gefüttert wird dieses Gefühl durch die Filmbranche, die es verstanden hat, aus der ambivalenten Faszination für Naturkatastrophen eine Sensationslust zu kreieren und diese in Kinokassenschlager umzumünzen: The Day after Tomorrow, 2012, Twister, Dante’s Peak oder San Andreas – um nur einige Blockbuster dieses Genres zu nennen. Und auch wenn in diesen (meist fiktiven) Werken oftmals (scheinbar surreale) Übertreibungen gezeigt werden, so können wir uns aufgrund tatsächlich stattfindender Katastrophen annähernd in die Situation hineinversetzen.

Doch dann gibt es diese eine Urgewalt, zu der wir keine realen Bilder im Kopf haben und die wir nur aus Filmen oder Dokumentationen kennen. Über unseren Köpfen, in den unendlichen Weiten des Alls, lauert eine zerstörerische Kraft, welche die Menschheit seit jeher fasziniert und gleichzeitig über alle Maßen ängstigt: Asteroiden.

Showdown auf der Leinwand, Showdown an den Kassen

Die Vorstellung, dass ein riesiger, kosmischer Gesteinsbrocken die Erde trifft, ist sicherlich weniger präsent, dafür aber umso unberechenbarer als irdische Katastrophen. Auf den Kinoleinwänden und dem heimischen Fernseher sind Asteroiden, welche die Erde existenziell bedrohen, allerdings genau so beliebt wie verheerende Flutwellen und brodelnde Vulkane. Auch wenn dieses Subgenre des Katastrophenfilms schon mehrere Jahrzehnte etabliert ist, kann der Frühsommer des Jahres 1998 als größter Meilenstein dieser Filmgattung betrachtet werden. Innerhalb von nur sechs Wochen erschienen Deep Impact (am 8. Mai)und Armageddon – Das jüngste Gericht (am 1. Juli) in den Kinos, beide Streifen gelten heute als Klassiker.

Es entwickelte sich ein ehrgeiziger Wettstreit um den Thron der Katastrophenfilme, welchen letztendlich Michael Bays Armageddon für sich entschied. Der Actionkracher mit Sci-Fi-Elementen und Starbesetzung (u.a. Bruce Willis, Liv Tyler, Ben Affleck) spielte an den Kinokassen über 550 Millionen US-Dollar ein und avancierte so zum erfolgreichsten Film des Jahres. Der Konkurrent Deep Impact sparte auch nicht an hochkarätigen Schauspieler:innen (u.a. Morgan Freeman, Elijah Wood, Robert Duvall), kam jedoch „nur“ auf knapp 350 Millionen US-Dollar und landete im Ranking der Top-Filme von 1998 auf Platz sechs.

Doch nicht nur der Showdown an den Kinokassen war episch, sondern auch das in den Filmen dargestellte Weltuntergangsszenario. Beide Handlungen waren sehr ähnlich: ein riesiger Asteroid rast auf unseren Planeten zu und muss vernichtet werden, bevor dieser selbiges mit der Erde tun kann. Bei beiden Filmen soll diese Mission mithilfe eines Expert:innenteams realisiert werden, die mit einem Space Shuttle auf dem todbringenden Himmelskörper landen und ihn durch nukleare Sprengsätze zerstören sollen.

In Deep Impact werden dafür kurzerhand gestandene Astronaut:innen in Bohrtechnik geschult, in Armageddon läuft es genau umgekehrt und eine Truppe rüder Bohrspezialisten muss einen Crashkurs im Weltraumtraining absolvieren. Auch in Sachen Dramatik nehmen sich beide Filme wenig, denn durch die Aufopferung selbstloser Charaktere kann das Schlimmste verhindert werden. Doch während in Armageddon der Asteroid komplett vernichtet wird und die Erde aufatmen kann, bleibt in Deep Impact ein Bruchstück des Himmelskörpers auf Kollisionskurs mit der Erde und schlägt schließlich in den Nordatlantik ein. Abgesehen von einem Megatsunami, der die Ostküste der USA sowie Teile Europas und Afrikas verheerend trifft, existiert die Welt dennoch weiter.

Auch wenn beide Filme nach einem ähnlichen Muster ablaufen, so unterscheiden sie sich dennoch in einer Sache. Armageddon mag zwar die Zuschauer:innen mehr überzeugt haben, doch Deep Impact gilt in Fachkreisen als wissenschaftlich akkurater. Dies trifft auf mehrere Handlungsaspekte zu, doch einer kann besonders hervorgehoben werden. In Deep Impact hat der Asteroid, der die Erde bedroht, einen Umfang von circa elf Kilometern (und ein kleiner Teil davon zerstört dennoch ganze Küstenabschnitte), während der apokalyptische Himmelskörper in Michael Bays Film ganze tausend Kilometer misst (und auf wundersame Weise komplett in die Luft fliegt). Das klingt sofort nach wissenschaftlicher Recherche auf der einen und typischer Hollywood-Sensationsgier auf der anderen Seite. Doch bei dieser eklatanten Differenz kommt einem automatisch auch eine andere Frage in den Sinn: wie groß muss ein Asteroid sein, damit er unsere Erde tatsächlich existenziell bedrohen kann?

In einem Land vor unserer Zeit

Der wohl prominenteste Asteroideneinschlag der Erdgeschichte ist jener, der vor rund 66 Millionen Jahren, an der Grenze zwischen Mesozoikum (Erdmittelalter) und Känozoikum (Erdneuzeit), hauptverantwortlich für das Massenaussterben von circa 75% aller damaligen Tier- und Pflanzenarten war. Kurz: jener Asteroid, der die Dinosaurier auf dem Gewissen hat.

Jahrelange wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass der Chicxulub-Krater am Nordrand der mexikanischen Halbinsel Yucatán der Ort dieses kataklystischen Ereignisses ist. Die Einschlagstelle misst zwar 180 Kilometer im Durchmesser, ist aber heute kaum zu erkennen, da sie zur Hälfte im Karibischen Meer liegt und jener Teil, der sich auf dem Festland befindet, durch Sedimentgestein verschüttet und mit dichtem Dschungel bewachsen ist.

Lage des Chicxulub-Kraters in Nordamerika

Rekonstruktionen zufolge schlug der Asteroid damals mit einer Geschwindigkeit von etwa 72.000 km/h in seichtes Gewässer ein. Die Gewalt der Explosion war äquivalent zu 200 Millionen Hiroshima-Bomben und die Erschütterungen wohl global spürbar. Megatsunamis, Druckwellen, Erdbeben und Feuersbrünste verwüsteten binnen kurzer Zeit weite Teile des direkten Umfelds. Nach wenigen Tagen hatten sich Unmengen von Staubpartikeln, die durch den Aufprall in die Luft geschleudert wurden, in der gesamten Atmosphäre verteilt. Sie absorbierten das Sonnenlicht über Monate hinweg und führten zu einem globalen Temperatursturz von bis zu 26° C. Jene Pflanzen und Tiere, die nicht durch die direkten Folgen des Einschlags ausstarben, fielen diesem sogenannten Impaktwinter zum Opfer; nur wenige Arten überlebten diese Katastrophe.

Wenn man über die exorbitant verheerenden Folgen dieses Ereignisses nachdenkt, könnte man meinen, dass der Chicxulub-Asteroid vielleicht die Dimensionen des Armageddon-Brockens hatte oder zumindest einige hundert Kilometer groß sein musste. Doch dem ist nicht so, vielmehr bewegt sich der Dinosaurier-Vernichter im Bereich des Asteroiden aus Deep Impact. Sein Durchmesser betrug schätzungsweise nur zwischen zehn und fünfzehn Kilometer. Und dieser Himmelskörper reichte aus, um die Biosphäre unserer Erde an den Rand der Vernichtung zu treiben.

Wann ist es wieder soweit?

Asteroiden, die das Potential haben, das Leben auf unserer Erde kritisch zu gefährden oder gar zu vernichten, werden auch Global Killer genannt – der Name ist hier Programm. Bei einem Durchmesser von zehn Kilometern wird es für den Planeten brenzlig, doch auch schon kleinere Himmelskörper können bei einem Einschlag fatale Folgen mit sich bringen. Viel hängt auch von der geologischen Zusammensetzung des Gesteinsbrockens, dem Eintrittswinkel, der Aufprallgeschwindigkeit und dem Einschlagsort (Wasser oder Land) ab. Sind diese Parameter ungünstig, würde bereits ein etwa 350 Meter großer Asteroid ausreichen, um heftigste Erdbeben oder über hundert Meter hohe Tsunamis zu verursachen. Die Gesamtheit des irdischen Lebens wäre bei einer solchen Katastrophe nicht gefährdet, jedoch gäbe es überregional verheerende Schäden.

Ein Asteroid mit etwa dieser Größe ist Apophis. Der 2004 entdeckte Himmelskörper wurde passenderweise nach dem altägyptischen Gott von Auflösung, Finsternis und Chaos benannt. Der Mythologie zufolge besitzt er die Gestalt einer riesigen Schlange und symbolisiert als ewiger Widersacher im Kampf gegen die guten Götter das uralte Böse. Der Asteroid mit dem furchteinflößenden Namensgeber sorgte nach seiner Erstbeobachtung für Schlagzeilen, als für den 13. April 2029, der auch noch auf einen Freitag fällt, eine vergleichsweise hohe Einschlagswahrscheinlichkeit berechnet wurde.

Mittlerweile ist eine Kollision an diesem Tag rechnerisch ausgeschlossen, allerdings wird Apophis nur etwas mehr als 30.000 Kilometer an uns vorbei fliegen. Was nach einer beruhigenden Distanz klingt, ist lediglich ein Zehntel der mittleren Entfernung zum Mond (384.400 Kilometer). Sogar einige Satelliten haben eine größere Distanz zur Erdoberfläche als dieser Asteroid an jenem Tag. Und auch wenn Apophis uns im Jahr 2029 verschont, so kommt er aufgrund seiner Sonnenumlaufbahn der Erde im Abstand einiger Jahrzehnte immer wieder gefährlich nahe.

Ein weiterer extraterrestrischer Gesteinsbrocken, der für Stirnrunzeln sorgt, ist Bennu, welcher erstmals 1999 beobachtet wurde. Sein Name stammt ebenfalls aus der altägyptischen Mythologie. Dort wurde Bennu als göttlicher Vogel und Totengott verehrt und stand für Sonne, Schöpfung und Wiedergeburt.

Bennu als Asteroid…
(NASA-Aufnahme)
…und als altägyptischer Gott.
(Jeff Dahl, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons)

Jener Asteroid ist ähnlich bedrohlich wie Apophis, mit 490 Metern Durchmesser sogar noch gewaltiger. Im Jahr 2135 wird er der Erde näher kommen als der Mond, was seine Bahn so stark verändern könnte, dass eine Kollision bei darauffolgenden Vorbeiflügen noch nicht ausgeschlossen werden kann. Allein bis zum Jahr 2199 wurden 78 mögliche Einschlagsszenarien für Bennu berechnet.

Jedoch existieren neben diesen beiden Risikoobjekten noch unzählige weitere Himmelskörper, die der Erde gefährlich werden können. Das Problem ist nur, dass wir sie mit der aktuellen Technologie bei weitem nicht alle erkennen können. Pessimistisch formuliert ist es tatsächlich nur eine Frage der Zeit, wann der nächste Global Killer oder zumindest ein bedrohlicher Asteroid unseren Planeten trifft.

Weltrettung á la Hollywood

Beruhigenderweise bastelt die NASA jedoch bereits seit längerer Zeit an Modellen zur planetaren Verteidigung vor potentiell gefährlichen Asteroiden. Und hier kommt wieder Bennu ins Spiel. Er gilt als Kandidat für die Testung eines Weltrettungsszenarios nach dem Vorbild der oben genannten Sci-Fi-Katastrophen-Blockbuster. Möglichkeiten wären die Zerstörung des Gesteinsbrockens oder die Ablenkung seiner Flugbahn, beides mithilfe von nuklearen Sprengsätzen. Bereits im September 2016 wurde die NASA-Raumsonde OSIRIS-REx zu dem Himmelskörper geschickt, um wertvolle Daten von der Beschaffenheit Bennus zu erlangen. Im Oktober 2020 konnte die Sonde Bodenproben entnehmen und im Jahr 2023 soll sie wieder die Erde erreichen.

Bei all der Gefahr, die von diesem Brocken ausgeht, wäre es aber in einer Hinsicht schade, wenn der uralte Asteroid als Testobjekt herhalten muss und vom Antlitz des Universums getilgt werden würde. Denn wie der Himmelskörper an sich wurden bei der Kartografierung der Oberfläche durch die NASA-Raumsonde sämtliche landschaftlichen Strukturen nach Vögeln oder mythischen Flugwesen benannt. Eine dieser topographischen Begebenheiten trägt den Namen Thorondur, benannt nach dem König der Adler aus Tolkiens Der Herr der Ringe. Aber vielleicht würde der erhabene Vogelfürst dem Untergang Bennus rechtzeitig entkommen und Zuflucht auf dem Saturnmond Titan finden, auf dem es ja bekanntermaßen nur so von Mittelerde-Schauplätzen wimmelt.

Christopher stammt von den Hängen des Erzgebirges, suchte jedoch beizeiten das Abenteuer in der großen Stadt. Seit Kindertagen interessiert er sich für die Länder, Kulturen und Sprachen dieser und anderer Welten. Heraus kamen ein Ethnologie-Studium in Leipzig, die Begeisterung für Tolkiens Werke und ein Plüsch-Chewbacca auf der Couch.

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