Mary Poppins zählt wohl zu den warmherzigsten fiktiven Figuren aller Zeiten. Als magische Nanny brilliert sie durch ihre gute Art und gewiefte Erziehungsmethoden. So schafft sie es immer wieder, den Kindern der Familie Banks Freude zu bereiten und für Ordnung zu sorgen. Pennywise zählt wohl zu den gruseligsten fiktiven Figuren aller Zeiten. Der tanzende Clown entpuppt sich schnell als außerirdisches Monster und Inkarnation des Bösen. Kinder verschlingend bahnt er sich seinen blutigen Weg durch die Kanalisation von Derry. Diese beiden Charaktere könnten nicht unterschiedlicher sein und doch geistert seit einiger Zeit eine Fan-Theorie durch das Netz, die besagt, dass Mary Poppins und Pennywise zur gleichen Alien-Spezies gehören. Das Erschreckende: die Argumente sind durchaus plausibel.
Auf den ersten Blick wirkt diese Behauptung so weit hergeholt, dass sie nicht einmal Legolas kommen sah. Doch nimmt man die zwei Figuren sowie deren Persönlichkeiten und Fähigkeiten genauer unter die Lupe (so wie es Reddit-User HumanoidMold5 tat), offenbaren sich ungeahnte Verbindungen.
Sowohl Mary Poppins als auch Pennywise sind begeistert von der Interaktion mit Kindern. Die fantastische Nanny bringt den Jüngsten Freude und Spaß, lehrt sie aber auch Moral und Respekt. Der Horrorclown lebt buchstäblich von Kindern, indem er sie einschüchtert, verfolgt, in dunkle Ecken lockt und letztendlich verspeist. Beide Figuren greifen dabei auf ein Repertoire übernatürlicher, vor allem telepathischer Fähigkeiten zurück. Während Mary Poppins die Vorstellungskraft der Kinder nutzt, um zauberhafte Dinge geschehen zu lassen, zehrt Pennywise von der menschlichen Furcht und ist in der Lage, die größten Ängste eines jeden zu offenbaren und wahr werden zu lassen.


Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass die zwei Figuren immer nur für kürzere Zeiträume und mit großen Unterbrechungen in Erscheinung treten. Beim magischen Kindermädchen vergehen 25, beim blutrünstigen Monster 27 Jahre bis zur Rückkehr. Die Energiereserven, die sie aus der Freude bzw. der Angst der Kinder beziehen, scheinen also ungefähr gleich lang zu halten. Auffällig ist auch, dass beide Charaktere bei ihrem zweiten Besuch hauptsächlich die selben Menschen aufsuchen, denn Mary Poppins kehrt wieder bei den Banks ein, während der Horrorclown aufs Neue den Klub der Verlierer, diesmal erwachsen, tyrannisiert. Dass dabei irgendwie immer ein Junge namens Georgie und ein Spielzeug involviert sind, macht die Verbindung nur noch offensichtlicher. Jenem Georgie, der von Mary seinen Drachen zurück bekam, erging es dabei selbstredend besser als seinem bemitleidenswerten Namensvetter, der von Pennywise in den Bordsteinablauf gezerrt wurde, nachdem sein Papierboot darin verschwand.
Die Erlebnisse aus der eigenen Kindheit, ganz gleich ob zauberhafte Nachmittagsbeschäftigung oder albtraumhafte Begegnungen, haben alle Betroffenen im Erwachsenenalter jedoch mehr oder weniger vergessen bzw. verdrängt, was aufgrund der Außergewöhnlichkeit der Geschehnisse durchaus merkwürdig erscheint. Auch bekommen die Eltern der Kinder, die mit Mary Poppins oder Pennywise zu tun haben, in beiden Fällen wenig bis gar nichts von den mysteriösen Geschehnissen rund um ihre Sprösslinge mit.


Dass die Nanny und das Monster ihr Handeln vorzüglich auf Kinder zuschneiden, zeigt auch ihr Hang zum Musikalischen. Mary Poppins singt gern fröhliche Lieder mit den Kleinen, während sich der tanzende Clown eher auf seine Zirkuseinlagen verlässt. Und schließlich dürfen auch die Ballons nicht fehlen. Am Ende der Mary-Poppins-Fortsetzung gleiten die zentralen Figuren heiter und gut gelaunt durch die Lüfte, wohingegen Pennywise die markanten roten Luftballons als ein Lockmittel und Ablenkungsmanöver nutzt, um unschuldige Kinder in seine Fallen tappen zu lassen.
Von Stephen Kings Horrorclown ist bekannt, dass er ein Alien aus den Weiten des Alls ist. Bei der magischen Romanfigur aus der Feder von Pamela Lynwood Travers liegt es zumindest im Bereich des Möglichen, dass diese mit all ihren magischen Facetten nicht von dieser Welt ist. Die Charakterzüge und Fähigkeiten der beiden Ikonen aus Literatur und Film sind im Grunde gleich, allerdings werden sie für unterschiedliche Zwecke genutzt. Mary Poppins gebraucht sie, um ausschließlich gute Dinge geschehen zu lassen, während Pennywise damit seine abgrundtief bösen Absichten in die Tat umsetzt – quasi die zwei Seiten einer Medaille.
Dass nun diese beiden Figuren jedoch tatsächlich einen gemeinsamen Hintergrund haben, gar zur selben Spezies von Außerirdischen gehören, kann rein pragmatisch betrachtet stark angezweifelt werden. Wir werden es wohl auch nie erfahren, es sei denn irgendjemand wagt sich an ein Crossover. In der Tat wäre es eine unterhaltsame Vorstellung, wenn die gute Mary Poppins mit ein paar geträllerten Liedern den bösen Pennywise in die Schranken weist, während dieser versucht, mit seinen roten Ballons zu entkommen.
Christopher stammt von den Hängen des Erzgebirges, suchte jedoch beizeiten das Abenteuer in der großen Stadt. Seit Kindertagen interessiert er sich für die Länder, Kulturen und Sprachen dieser und anderer Welten. Heraus kamen ein Ethnologie-Studium in Leipzig, die Begeisterung für Tolkiens Werke und ein Plüsch-Chewbacca auf der Couch.