Ausgabe 8Kulturbeutel

WEIHNACHTEN

Ein Fest zwischen Religion, Folklore und Magie

Die Landschaft ist in frostiges Weiß getaucht, die Sterne am Himmel leuchten klar in der eisigen Kälte. Aus der Ferne hört man die Glocken eines Schlittens, welcher, gezogen von tierischen Gestalten, durch die Nacht rauscht. Die typischen Düfte von Myrrhe, Weihrauch und frisch gebackenen Keksen steigen uns in die Nase. Jung und Alt auf der ganzen Welt wissen: die magischste Zeit des Jahres hat nun wieder begonnen. Auch wenn der kommerzielle Charakter der Weihnacht heute nicht mehr wegzudenken ist, so lohnt es sich doch, sich hin und wieder auf die Ursprünge des Festes zu besinnen, welches uns Jahr für Jahr in eine zauberhafte Stimmung versetzt und Menschen unterschiedlichster Kulturen und Religionen miteinander verbindet.

In einer Krippe in Bethlehem

Die Geburt von Jesus Christus in Bethlehem ist der Ursprung des Weihnachtsfestes und wird heute am 25. Dezember oder dessen Vorabend zelebriert. Bereits im Jahr 336 n. Chr. beging die christliche Kirche in Rom das Weihnachtsfest an einem 25. Dezember. Im slawischen Raum wird der Heilige Abend erst an Neujahr gefeiert, da sich dort noch am julianischen Kalender orientiert wird. Bei den Feierlichkeiten sind heutzutage demnach, je nach Kulturkreis, einige Unterschiede sowohl im Ablauf als auch in der Nähe zum eigentlich religiösen Ursprung der Weihnacht festzustellen.

Während man in den USA versucht, Santa Claus mit Keksen und Milch zur Übergabe von Geschenken zu bewegen und in einen nachbarschaftlichen Wettkampf über die pompöseste Hausbeleuchtung gerät, begehen viele Menschen in Finnland den heiligen Abend traditionell mit einem Saunagang und gutem Essen. Christen in Indien dekorieren statt des Tannenbaumes Bananenstauden und für Skandinavier steht am Julfest die Feier des wiederkehrenden Lichtes im Mittelpunkt. Der traditionelle Kirchgang bzw. der Besuch einer Messe spielen beispielsweise in Frankreich oder Spanien eine wichtige Rolle. 

Vom Nikolaus, helfenden Elfen und fliegenden Rentieren

Porträt von Nikolaus von Myra aus dem
13. Jahrhundert im Katharinenkloster (Sinai)

Die zentrale Figur des beleibten, vollbärtigen Mannes, welcher die Wünsche der Menschen Jahr für Jahr erfüllt und heute sinnbildlich für Weihnachten steht, geht eigentlich auf den griechischen Bischof Nikolaus von Myra zurück, welcher bereits im 3./4. Jahrhundert lebte und als Patron der Bedürftigen galt. Dieser bringt den Kindern auch heute noch am 6. Dezember kleine Geschenke. Nachdem Martin Luther die christliche Kirche im 16. Jahrhundert reformiert hatte, bringt das Christkind seitdem am 24./25. Dezember die Gaben zu den Menschen. Heute sprechen nur noch wenige Menschen vom Christkind; stattdessen entwickelten sich die verschiedensten Bezeichnungen für das ursprüngliche, wohltätige Wesen: Santa Claus (meist in englischsprachigen Ländern), Väterchen Frost (z.B. Russland) oder Samichlaus (Schweiz und Luxemburg). In Italien beschert die Hexe Befana die Kinder am 6. Januar sogar ein zweites Mal mit Geschenken.

Dass die Herstellung von Geschenken für Milliarden Menschen auf der Erde nicht allein durch eine Person geleistet werden kann, liegt natürlich auf der Hand. Die US-Amerikanische Schriftstellerin Louisa May Alcott berichtete bereits in ihrem 1856 entworfenen Manuskript zum Buch Christmas Elves (Weihnachtselfen) von fleißigen Helfern des Santa Claus, welche innerhalb kürzester Zeit in der Lage waren, die spektakulärsten Weihnachtswünsche zu erfüllen. Diese Vorstellung über die Vorbereitungen der Weihnachtszeit setzte sich vor allem in den folkloristischen Erzählungen Großbritanniens, der USA, Kanada und Irlands durch.

In der Populärkultur eben dieser Regionen spielen auch die Rentiere, als Zugtiere des Schlittens, eine wesentliche Rolle. Die erste Erwähnung von acht fliegenden Rentieren als Helfer von Santa Claus findet sich im Gedicht A Visit from St. Nicholas von Clement C. Moore aus dem Jahr 1823. Spätestens seit 1939, als Rudolph, the Red-Nosed Reindeer die Gruppe komplettierte, gehören die fleißigen Schlittenzieher für die meisten Menschen ebenso zur Grundausstattung für eine fröhliche Weihnachtsstimmung wie der Verzehr köstlicher Plätzchen oder das Schmücken eines Weihnachtsbaumes.

Heidnischer Brauch zur Weihnachtszeit

Ob mit bunten Kugeln und blinkender Lichterkette, den drei Weisen aus dem Morgenland in Schokoladenform, oder mit Früchten und Lebkuchen geschmückt: der traditionelle Tannenbaum darf in der wohl besinnlichsten Zeit des Jahres in fast keinem Haushalt fehlen. Obwohl man vermuten könnte, dass dieses mancherorts als Christbaum bezeichnete Dekogewächs, ähnlich wie der Ursprung der Weihnacht selbst, in biblischer Tradition steht, ist sein Anfang eher in den heidnischen Bräuchen der Nordeuropäer zu finden. Zwar wurde der beliebte Nadelbaum, behangen mit einem Apfel, schon im mittelalterlichen Christentum sinnbildlich genutzt, um dem gemeinen Volk die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies näherzubringen, doch bereits die Germanen stellten zur Wintersonnenwende grüne Nadelzweige auf, welche Fruchtbarkeit und Lebenskraft symbolisierten. 

Weihnachten, so wie es in unserer heutigen, modernen Zeit zelebriert wird, beinhaltet demnach noch viele Bräuche aus alter Zeit. Und auch wenn es sich um ein christliches Fest handelt, haben sich in der Folklore und Popkultur zahlreiche Elemente etabliert, die märchenhaft wirken und auch locker in einem Fantasy-Film Platz fänden. Aber ganz egal ob mit fliegenden Rentieren oder der klassischen Krippe in der Wohnstube, Weihnachten ist definitiv die magischste Zeit des Jahres.

Melanie hat Anglistik und Philosophie in Leipzig studiert und ist jetzt Lehrerin für Englisch und Ethik an einem Gymnasium. Vor allem durch Game of Thrones und Harry Potter ist sie dem Fantasy-Genre verbunden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert